Text: Robert Schütz. Publiziert: „Nachhaltig Bauen“
Bildung und Nachhaltiges Bauen haben eines gemeinsam: Beide sind wesentliche Vorrausetzungen für eine sichere Zukunft. Die neue Fachhochschule Nord-West in Olten bietet Studenten und Wissenschaftlern den passenden Raum für fortschrittliches Denken, Lernen und Forschen und erreicht zudem den Minergie-P-Eco®-Standard. So funktioniert Zukunft.
Seit dem Zusammenschluss verschiedener Fachhochschulen zur Fachhochschule Nordwestschweiz, wurde Olten die Heimat für die Fachbereiche Wirtschaft, Soziale Arbeit und Angewandte Psychologie.
Der Kanton Solothurn verpflichtete sich Ende 2005 im Staatsvertrag in Olten ein Gebäude mit einer Hauptnutzungsfläche von rund 10 000 Quadratmetern zu errichten und dieses der Fachhochschule Nordwestschweiz zu vermieten. So sollten verschiedene Provisorien ersetzt werden. Der Neubau war zudem dringend notwendig geworden, weil bereits damals absehbar war, dass die Zahl der Studierenden bis 2008 um mehr als 30 Prozent zunehmen würde. Dennoch war der Neubau zunächst umstritten. Die nötigen politischen Hürden konnten jedoch schnell genommen werden. Mit einem überragenden Ja-Stimmen-Anteil von fast 80 Prozent genehmigte das Stimmvolk im November 2008 schliesslich einen Verpflichtungskredit in Höhe von 86.7 Millionen. Franken.
Bereits am 12. Dezember 2001 hatte der Solothurner Kantonsrat die Stadt Olten als Standort für die Fachhochschule Solothurn bestimmt und schon damals einen wichtigen Grundstein für den Neubau der Fachhochschule Nordwestschweiz gelegt. Auch die Planungskommission hatte bereits im Oktober 2002 mit ihrer Arbeit begonnen und verschiedene Standorte in Bahnhofsnähe kritisch geprüft. Aufgrund dieser Empfehlung beschloss die Regierung 2003 das Coop-Areal mit einer Fläche von rund 6 100 Quadratmetern zu erwerben. Erst 2005 folgte dann die Zustimmung für den Kauf des sogenannten Marcoda-Areals mit einer Fläche von rund 10 000 Quadratmeter. Erst durch den ratifizierten Staatsvertrag zwischen den Kantonen Aargau, Baselland, Basel Stadt und Solothurn Ende 2005 konnten die anfänglichen Visionen so langsam zu konkreteren Plänen reifen.
Von den insgesamt 44 Beiträgen, die im offenen Projektwettbewerb eingereicht wurden, wird auf Empfehlung der Jury nur das Projekt „Denkfabrik“ der Berner Architektengruppe „Bauart“ weiter verfolgt und später realisiert. Die wichtigsten Kriterien für diese Entscheidung waren die Gestaltung, der Nutzen und die Kosten. Vor allem die Vorrausetzungen an ein «Nachhaltiges Bauen» sollten umfassend erfüllt werden. Am Ende wird das ambitionierte Projekt sogar mit dem Minergie-P-Eco®-Standard zertifiziert.
Es entsteht ein Neubau aus recyceltem Beton
Die Entscheidung das neue dreigeschossige Vorzeigeprojekt an der Bahn zu errichten, die in Olten auch städtebaulich als wichtige Schnittstelle gilt, stellte die Planer vor völlige neue Gegebenheiten, wie Lärmbelastung, Erschütterungen und der Einfluss durch möglichen Elektrosmog (NIS – Nicht ionisierende Strahlen). Doch auch diese Aufgaben konnten optimal gelöst werden. So wurden etwa zusätzliche lärmabsorbierende Dämmungen verwendet und der Lärmschutz durch das Kastenfensterprinzip verbessert. Heute bilden die Schienenstrecke und der langgezogene Neubau eine feste Einheit.
Bereits bei der Einfahrt mit dem Zug, fällt auf, wie harmonisch die „Denkfabrik“ mit ihrer leichten Biegung der Gleisanlage folgt. Schaut man sich später die Detailpläne genauer an, so fällt auf: Die Zahl der Stützen nimmt von Stockwerk zu Stockwerk zu. Dies beeinflusst zunächst die Raumgrösse und die Statik. Doch es gibt noch einen schwerwiegenden Grund: Diese Konstruktion ist auch als wichtiger Beitrag zur Nachhaltigkeit zu verstehen ,denn mit diesem Griff in die Trickkiste der Statik, kann die Stärke der Decken vermindert werden. Folglich reduziert sich dadurch der Materialbedarf erheblich. Apropos Material: Eine Besonderheit ist der Einsatz von RC-Beton (Recycling-Beton) dessen Gehalt an Gesteinskörnung zu mindestens 25 Masseprozent aus Betongranulat bzw. Mischabbruchgranulat bestehen muss. Betongranulat wiederum setzt sich zu mindestens 95 Prozent aus Betonabbruch zusammen. Mischabbruchgranulat hingegen ist ein Gemisch aus Betonabbruch, Ziegelschrott und künstlichem Kalksandstein. Nachhaltig ist der Einsatz von RC-Beton schon allein deshalb, da er teilweise den begrenzt vorhandenen Baustoff Kies ersetzt.
Wissenschaft und Vordenken gehören zusammen
Von Anfang an stand fest: Die „Denkfabrik“ ist ein Projekt für die Zukunft. Wer an einer Hochschule lernt oder lehrt, hat die Zukunft immer fest im Blick. Sei es zur Förderung der eigenen beruflichen Karriere oder für den Fortschritt der Wissenschaften. Somit steht das Thema Nachhaltigkeit nicht nur beim Bau der Denkfabrik von Anfang an im Vordergrund. Denn Forschung und Nachhaltigkeit haben eines gemeinsam: Es geht niemals nur um das Mitdenken, sondern immer auch um das Vordenken, währende andere Nachdenken. Für den Neubau wurden daher eine ganze Reihe von Massnahmen zur Einsparung von Energie und Wasser geplant und realisiert. Interessant ist dabei vor allem das Zusammenspiel der jeweiligen Einzelmassnahmen, die sich zu einen regelrechten kybernetischen ganzheitlichen Konzept ergänzen:
Durch die mit Photovoltaikstrom betriebenen Umwälzpumpen wird dem Grundwasser Wärme für die Heizung entzogen und zugeführt. Umgekehrt dient das Grundwasser zur Kühlung, wobei auch diese Pumpen wiederum durch Photovoltaik betrieben werden. Das so benutzte Grundwasser wird dann als sogenanntes Grauwasser zum Beispiel für die Sanitäreinrichtungen verwendet. Als Grauwasser wird gering verschmutztes Wasser bezeichnet, dass neu genutzt werden kann.
Auch bei der Lichtversorgung gilt der Grundsatz der Nachhaltigkeit. So werden fast im gesamten Gebäude LED Leuchten (Lichtemittierende Dioden) eingesetzt. Die Einsparung von Energie und Unterhaltskosten, steht auch hier langfristig im positiven ökonomischen Verhältnis zu den anfänglich höheren Investitionen. Für die optimale Lüftung, die sicher ganz wesentlich zur Verbesserung der Arbeitsbedingungen und zur Steigerung der Arbeitskonzentration beiträgt, hat man in Olten selbstverständlich ebenfalls eine klares Konzept parat: Das Gebäude wird durch eine mechanische und bedarfsabhängige Lüftungsanlage mit Frischluft versorgt. Die Qualität der Luft wird durch CO2-Fühler gemessen und entsprechend optimiert. Regierungsrat Walter Straumann fasst es wie folgt zusammen: „Es ist sichtbar: Wir bauen für die Zukunft“
Die Denkfabrik erreicht den Minergie Standart -PEco®
Nur durch diese Fülle an clever verzahnten Einzelmassnahmen, konnte das Projekt «Denkfabrik» schliesslich sogar den Minergie Standart -PEco® erreichen. Eine Auszeichnung, die in der Schweiz insgesamt nur 492 Gebäude tragen (Stand: Mai 2013). Gebäude in dieser Grössenordnung, wie die Fachhochschule Olten, wurden bisher selten zertifiziert. Im Kanton Solothurn ist die Fachhochschule Nord-West das erste Gebäude in der Liga der Bauwerke mit derartiger Grösse und Ausmassen, das den Minergie-P-Eco®-Standards erreichte. Der Bau- und Justizdirektor des Kantons Solothurn Walter Straumann fast es nach Fertigstellung wie folgt zusammen: „Vor unseren Augen steht nun die „Denkfabrik“ – mit einem guten Fundament und der unverwechselbaren Atmosphäre der Offenheit. Das Gebäude ist Botschaft: Wir bauen nachhaltig, und wir bauen für die Zukunft! Das zeigt sich exemplarisch darin, dass die „Denkfabrik“ das grösste Hochbauvorhaben nach Minergie-P-Eco®-Standard im Kanton Solothurn ist.“ Eine solche Auszeichnung verpflichtet jedoch zu weit mehr als Energieeinsparung und Energieeffizienz. Es gilt vor allem den Bedürfnissen von Menschen an eine harmonische Arbeitsumgebung gerecht zu werden. In den Gebäuden, in denen Menschen einen grossen teil des Tages verbringen, sollte immer eine Atmosphäre geschaffen werden, in der sich im Idealfall alles sogar ein Stück wie zuhause fühlen.
Transparenz und viel Licht sorgen für eine harmonische Arbeitsatmosphäre
Bereits beim Eintreten ist der Besucher überwältigt von den grosszügigen und lichtdurchfluteten Halle. Zwei überdeckte Lichthöfe mit umlaufenden Balustraden erstrecken sich über alle drei Geschosse und sorgen so bereits im Eingangsbereich für das nötige Tageslicht. Hier trifft man sich vor und nach den Vorlesungen oder in den Pausen zum Informations- und Gedankenaustausch oder einfach nur zum relaxen und plaudern. Gleichzeitig dient dieses Forum als optimale Kulisse für temporäre Ausstellungen sowie für interne und externe Veranstaltungen.
Mehr Raum zum Denken und Arbeiten
Bereits durch die Raumhöhe, die Raumgrösse sowie die Anordnung der Räume sind diese klar als öffentlicher Bereich erkennbar. So sind im Erdgeschoss unter anderem die Aula, die Hörsäle, die umfangreiche Bibliothek und die Gastronomiebreiche untergebracht. Mit jeder Etage nimmt dann der Grad der Öffentlichkeit ab. In den oberen Stockwerken, zu denen zwei asymmetrisch angeordneten Treppen führen, befinden sich überwiegend Unterrichtsräume sowie Arbeitsplätze für die Studierenden sowie Nischen, in die man sich zum individuellen Studium und zu Besprechungen, Diskussionen und Gruppenarbeiten zurück ziehen kann. Auch hier dominiert die Transparenz. Die Gruppenräume sind eingeschobene, verglaste Segmente, die durch den Einsatz von Vorhängen bei Bedarf trotzdem die nötige Diskretion und Ruhe bieten.
Wieder trifft man auf zwei überdeckte Lichthöfe, die an Atrien erinnern und sich ebenfalls für das konzentrierte Arbeiten bestens eignen. Zwei weitere Treppen führen ins nächste Geschoss ,wo kleinere Büros und die Räumlichkeiten für die Direktion, für Dozenten und den „wissenschaftlichen Mittelbau“ untergebracht sind. Hier finden Studierende und Mitarbeitende der „Denkfabrik“ weitere Arbeitsplätze. Somit wären alle Forderungen an transparente, grosszügige und flexible Räume klar erfüllt. Die nachhaltige „Denkfabrik“ ist vollendet. Der Regierungsrat und Vorsteher des Departements für Bildung und Kultur des Kantons Solothurn Klaus Fischer, verkündete mit Stolz: „Ich bin überzeugt, dass die „Denkfabrik“ für alle Studierenden und Dozierenden ein Ort ist, der seinem Namen gerecht wird: ein Raum für das Lehren, Lernen und für das Denken. Walter Straumann ergänzt nach der Fertigstellung erleichtert: „… ich darf heute bestätigen, dass wir keine leeren Versprechungen gemacht haben. Denn in einem modellhaften Prozess wurde der Bau termin- und kostengerecht realisiert und kann jetzt für den Unterricht bezogen werden“.