Das Image der Bauberufe steht nicht auf dem besten Fundament. Zeit die Ärmel hochzukrempeln. Die neugegründete Initiative www.bausinn.ch will es allen zeigen
Bauberufe sind anspruchsvoll; sie bieten ausgezeichnete Karrierechancen und in einigen Fällen sogar internationale Aufmerksamkeit.
Als die sechs jungen Leute ihre Lehre als Maler, Gipser, Polybauer oder Mauer antraten, hatte sicher keiner von ihnen den internationalen Durchbruch erwartet, der sie bis ins entfernte Sao Paulo führen würde.Auch eine unerwartete Medienpräsenz stand sicher nicht auf ihrer Wunschliste. Dennoch konnten drei der jungen Talente zunächst in der Schweiz und dann sogar im internationalen Vergleich bei der World Skills in Brasilien punkten. Doch man muss nicht zwingend ein derartiges Ausnahmetalent seiner Zunft sein, um in der Baubranche erfolgreich zu sein. Denn auf jeden Fall gilt: «Bauen ist Zukunft», so jedenfalls formulierte es Ueli Büchi, er ist verantwortlich für die Berufsbildungspolitik im Schweizer Baumeisterverband, eine der Gründerorganisationen, die am 9. September 2015 im Zunfthaus zur Zimmerleuten in Zürich den Grundstein für die neue Imagekampagne «bausinn.ch» legten. Gemeinsam mit dem Verband Gebäudehülle Schweiz, dem Schweizerischen Maler- und Gipserunternehmer-Verband und der Schweizerischen Metall-Union, wollen diese Organisationen ein klares Signal setzen und die Bedeutung und den Ruf der Baubranchelangfristig stärken. Welche Bedeutung die Baubranche für die Wirtschaft in der Schweiz hat, lässt sich am besten mit Zahlen belegen:
Die Baubranche liegt noch vor den Banken
6 % des Bruttoinlandproduktes werden von 327 000 Mitarbeitenden und 25 000 Lernenden erwirtschaftet. Mit diesem Ergebnis liegt die Bauwirtschaft noch vor den Banken. Welchen Wandel und welche Fortschritte die Branche derzeit durchläuft,zeigen vor allem neue Techniken wie BIM, GPS, Laserscanning, 3-D-Druck, Robotik sowie der Einsatz neuer Materialien. Selbst heilender Beton oder Lacke, die Solarenergie speichern bzw. Elektrosmog absorbierten, sind heute längst kein Science Fiction mehr. Allein im Jahre 2013 wurden in der Schweiz über 50 000 neue Wohnhäuser erstellt, auch das eine Zahl, die das Volumen dieser bedeutenden Schlüsselindustrie eindrucksvoll verdeutlicht. Doch geht es nicht nur um Gebäude. Auch die Infrastruktur der Schweiz, mit ihren 71 000 km Strassen, dem 80 000 km langen Trinkwassernetz und ihrem Stromnetz, dass zusammen 224 500 km ergibt, gilt es ständig zu erhalten und zu erneuern. Allein hier liegt noch ein ungeahntes Potenzial. Der Direktor der Schweizerischen Metall-Union, Christoph Andermatten, betonte zudem die neuen Anforderungen an die Organisation von Bauprojekten und den steigenden Sicherheitsbedarf. «Die Baubranche steht somit vor immer neuen technischen Herausforderungen, die eine ständige praktische und theoretische Anpassung erfordern. Was auch einen stärken Bedarf an Kaderkräften auf Baustellen verlangt».
Beste Chancen für eine erfolgreiche Zukunft
In der gesamten Branche stehen rund 50 unterschiedliche Berufe zur Auswahl, die für jeden ausgezeichnete Karrierechancen bieten. Der gelernte Maurer, Maler, Polybauer, Gipser oder Metallbauer beispielsweise, der nach einer erfolgreichen theoretischen und praktischen Ausbildung alle Kenntnisse perfekt beherrscht, hat heute beste Chancen für einen schnellen beruflichen Aufstieg. Zudem steht jedem Absolventen der Weg zur Berufs-Matura und zum Studium offen. Für den Maurer Sandro Dörig (22), den Schweizermeister der SwissSkills 2014 und Gewinner einer Medaille für Excellence bei den Worldskills 2015 in Sao Paulo, ist klar: «Mein Ziel ist das Studium als Bauingenieur». Zurzeit absolvierter die Berufsmittelschule und ist somit auf dem besten Weg. Seine Entscheidung für den Maurerberuf erklärt er kurz und bündig mit den Worten: «Die Maurerlehre ist ein guter Grundstein für eine Karriere auf dem Bau». Ähnlich sieht dies der Lehrling Timon Jud (22), der aktuell das zweite Lehrjahr als Polybauer hinter sich bringt. Auch er hat bereits die Weiterbildung fest im Sinn. «Ich halte die Ausbildung für einen guten Start, denn man kann nach der dreijährigen Lehre noch ein Jahr anhängen, um einen weiteren EFZ Abschluss zu erhalten. Das ebnet den Weg, um in den Kader aufzusteigen».Das klingt doch alles recht optimistisch und vielversprechend. Oft sind die Beweggründe ganz einfacher Natur. So erklärt ein Metallbauer im vierten Lehrjahr: «Ich wollte schon immer etwas Handwerkliches lernen und eine Arbeit ausüben, bei der man abends sieht, was man geschafft hat». Dieser Meinung schliesst sich Janin Aellig (19) an. Sie ist Dekorationsmalerin und ebenfalls Schweizermeisterin bei den SwissSkills 2014 und zudem Bronzemedaillen-Gewinnerin bei den WorldSkills 2015. Einigen wurde das Talent schon in die Wiege gelegt. So im Fall von Yassin Fischer (20). Der Gipser und Trockenbauer, Vize- Schweizermeister 2014 und Silbermedaillengewinner in Sao Paulo erklärt seinen Berufsentscheid so: «Da mein Vater ein eigenes Gipserunternehmen hat, war mir schon immer klar, dass auch ich als Gipser arbeiten möchte». Zunächst würde er gerne eine Weiterbildung zum Vorarbeiter und Meister beginnen, um den elterlichen Betrieb später erfolgreich weiterführen zu können. Soviel Optimismus und Begeisterung sollte doch anstecken, könnte man meinen. Warum aber klagt die Branche noch immer über qualifizierte und motivierte Nachwuchskräfte?
Die allgemeine Meinung: Interessant ja, aber nichts für mich?
Die Berufswahl ist sicher eine der wichtigsten Entscheidungen im Leben eines jungen Menschen. Hier werden die Weichen für die spätere Karriere gestellt. Der Beruf ist wesentlicher Bestandteil des gesamten Lebens. Hier verbringen wir einen grossen Teil unserer Zeit. Die Berufswahl bestimmt somit ein Stück das spätere Glück und die Erfüllung im Leben. Umso wichtiger für Schüler, sich bereits frühzeitig und vor allem richtig zu informieren. Halbwissen und allgemeine Meinungen führen hier auf den falschen Weg. Eine Berufswahlstudie unter 1000 Personen, mit Jugendlichen, Eltern, Lehrpersonen, Ausbildnern, Berufsberatern, Lernenden, Medien, Experten und Politikern ging daher zunächst unter anderem der Frage nach: «Woher kennst Du die Berufe?» Als wichtigste Informationsquelle entpuppte sich das Elternhaus. 34,5 % der Befragten gaben an, dass der Vater, die Mutter oder Geschwister erste Impulse und vermeintliche Fakten über Berufe lieferten. Eine wichtige Quelle sind natürlich die Medien. 19,75 % beziehen hieraus ihre Informationen für die spätere Berufswahl. Die nächste Erkenntnis, der die Berufsstudium Auftrag der Berufsverbände auf den Grund ging, lautete: «Welche Berufe findest Du für Dich interessant? Hier klingt das Resultat zunächst sehr vielversprechend für die technisch orientierte Baubranche: Mit einem Anteil von 31 % gaben mehr als ein Drittel aller Befragten technische und handwerkliche Berufe als für sich interessant an. Doch erst die folgende Frage bringt die entscheidende Ernüchterung: «In welchem Beruf ist der Erfolg wahrscheinlich»? Gerade mal 1,8 % der zukünftigen Berufsanfänger glaubt an eine Karriere in der Baubranche. Mit anderen Worten, Bauberufe sind nach dieser Umfrage zwar interessant, doch für die eigene Ausbildung und die Karriere zählt das Baugewerbe eher nicht zu den Favoriten. Eine aktuelle Studie unter 66 Berufsverbänden zeigt, dass Fachkräfte fehlen. Als Grund hierfür nennen zwei Drittel der Unternehmervertreter die niedrige Bekanntheit der Berufe, ein schlechtes Image und fehlend Zukunftsaussichten. Zeit also, mit Missverständnissen aufzuräumen und verstärkt über die Erfolgschancen in der Baubranche zu berichten.
Bausinn legt den Grundstein für erfolgreiche Zukunft der Baubranche
«Am heutigen Tag wollen wir den Grundstein legen für bausinn.ch», mit diesen Worten, forderte der Vizeweltmeister der Gipser/Trockenbauer Yassin Fischer alle Verbandsvertreter und seine jungen Handwerkskollegen auf, die Gründungsurkunde zu unterzeichnen. Somit gilt jener historische Moment, am 9. September 2015 im Zunfthaus zur Zimmerleuten am Zürcher Limmatquai, als offizieller Kampagnenstart. Vier führende Verbände der Baubranche haben die Initiative bausinn.ch gestartet, mit dem langfristigen Ziel, über die Möglichkeiten und Chancen der Bauwirtschaft in der Zukunft ausführlicher zu informieren und um überholte Bilder zu korrigieren. Gegenstand der ausführlichen Berichterstattung sowie der Werbe- und PRMassnahmen sind natürlich die guten beruflichen Aussichten. Gleichzeitig geht es um die neusten Materialien, Techniken und wirtschaftlichen Herausforderungen der Branche.
Zahlreiche Medienauftritte und Veranstaltungen sind geplant
Damit die Kampagne das nötige Echo in der Öffentlichkeit erlebt, wurden bereits eine Vielzahl an Veranstaltungen und Massnahmen vorbereitet, die anlässlich der Gründungsfeier den zahlreichen Medienvertretern im Zunfthaus der Zimmerleute in Zürich vorgestellt wurden. In den nächsten Wochen wollen die Trägerverbände in so genannten bausinn.ch-Workshops über die Zukunft der Baubranche bis 2050 berichten. Für den internationalen Branchentreffpunkt, die swissbau 2016, wurde ebenfalls bereits eine eigene Veranstaltung geplant. Hier sollen unter anderem die acht vorbildlichsten Unternehmerinnen und Unternehmer präsentiert werden, ausgewählt aus einer Vorauswahl, die zunächst in den kommen Monaten in Videoreportagen und Publikationen einer breiten Öffentlichkeit vorstellt werden sollen. Darüber hinaus sollen prominente Schweizer zusammen mit Handwerkern ihr Lieblingsgebäude besuchen.