Das Longstay-Konzept am Wohnungsmarkt. Werden Hotels zur Konkurrenz um Wohnungsmieter?

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Das Longstay-Konzept am Wohnungsmarkt. Werden Hotels zur Konkurrenz um Wohnungsmieter?

(Text: Robert Schütz)

Die Gesellschaft wird mobiler; Menschen wechseln häufiger den Einsatzort. Vor allem in den Metropolen ist ein neuer Trend erkennbar:Das Hotel wird immer öfter zum Erstwohnsitz. Werden Hotels zur Konkurrenz auf dem Mietermarkt?

Wir alle kennen diese glamourösen Geschichten von berühmten Persönlichkeiten, die dauerhaft in Hotels leben. Meist denkt man an exzentrische Künstler oder besserverdienende VIPs. Doch nun scheint dieser Lebensstil zum Mainstream zu mutieren. Wie lässt sich dieser Trend erklären? Was sind die Ursachen? Was macht den Unterschied? „In den vergangenen Jahren konnten wir eine vermehrte Nachfrage nach Longstay- Optionen feststellen. Diese Nachfrage hat durch das Pandemiegeschehen einen nochmaligen Höhepunkt erreicht“, erklärt David Etmenan, Chief Executive Officer & Owner Novum Hospitality (NUI Hotels). Er fügt hinzu: „Hotelaufenthalte werden schon längst nicht mehr als Kurzzeitlösung gesehen. Mithilfe unseres Longstay-Angebots werden Hotelapartments für unsere Bewohner zum Zuhause mit vorteilhaften Extras und Services. Unsere Angebote für Dauergäste sind auf die Bedürfnisse des jeweiligen Gastes zugeschnitten. Sowohl für Geschäftskunden als auch für Familien, Singles und Paare bieten wir Serviced- Apartments an, dessen Zusatzleistungen sich individuell dazu buchen lassen (z.B. Reinigung, Frühstück, Ausstattung). Ähnlich sieht das auch Dr. Eike Muhr, sie ist Geschäftsführerin der Unternehmensgruppe „The Flag“: „Für Geschäftsreisende bieten wir maßgeschneiderte Konzepte auch für längere Aufenthalte. Wir haben unsere Wohnangebote auf diese Zielgruppen abgestimmt, damit sie sich bei uns wohlfühlen und ein Stück zu Hause auf Zeit genießen können.“ Fest steht: Dieser Trend hat in den letzten Jahren deutlich stark zugenommen. Tobias Warnecke vom Hotelverband Deutschland resümiert: „Die Nachfrage nach Longstay-Konzepten hat sich mit den Mega-Trends‚ Urbanisierung‘ und ‚New Work‘ sowie der steigenden Beliebtheit von temporären Wohnformen bei Investoren wie Gästen in den letzten Jahren positiv entwickelt. “Warnecker weiter: „Zukunf tsforscher sprechen von einem steigenden Bedarf an neuen temporären Lebens- und Wohnmodellen. Wohnlichkeit und Individualität, größerer Raum, persönlicher Service und professionelle Standards erweisen sich dabei vielerorts als wesentliche Vorteile gegenüber der weniger flexiblen, klassischen Wohnwirtschaft.“

Immer öfter wird das Hotel zum Erstwohnsitz

Dabei geht es nicht mehr nur um eine Übergangslösung für wenige Monate. In einigen Häusern können Gäste unter bestimmten Auflagen für ewig einziehen. Der Hotelverband Deutschland weist jedoch darauf hin: „Wer in Einrichtungen, die der gewerbs- oder geschäftsmäßigen Aufnahme von Personen dienen (Beherbergungsstätten), für länger als sechs Monate aufgenommen wird, unterliegt der Meldepflicht nach § 17 BMG. Wer nicht für eine Wohnung im Inland gemeldet ist, hat sich innerhalb von zwei Wochen bei der Meldebehörde anzumelden, sobald sein Aufenthalt die Dauer von drei Monaten überschreitet. So wird das Hotel also auch offiziell zum Zuhause. Kleiner Wermutstropfen: In einigen Häusern stehen jedem die Türen offen, der einfach nur den nötigen Geldbetrag auf den Tisch des Hauses legt. Die kritische Prüfung von Personen wird oft eher lasch gehandhabt.

Zimmer im Lindenberg (Lindley) im individuellen Design

Künstler, Journalisten und Architekten bilden das Gästekollektiv

Eine Sonderstellung nimmt das Lindenberg Hotel in Frankfurt am Main ein. Hier legt man großen Wert auf die Qualität und die Zusammensetzung der Mieterklientel und versteht sich als Community. Wörttlich heißt es: „… wir verfolgen ein ganz individuelles Konzept, was deutlich mehr Komponenten umfasst als andere Häuser, die sich in diesem Segment platzieren.“ Nina Eschenröder betont: „Das Lindenberg ist ein Hybrid aus Hotel und Wohngemeinschaft. Zu Gast sein im Lindenberg bedeutet, Teil eines Gästekollektiv zu werden.“ Wer hier wohnt ist nicht nur Gast, sondern ein „Lindenberger“ und Teil einer Gemeinschaft, in der Kardinaltugenden vorausgesetzt werden. Im Lindenberg basiert das Verhältnis von Gast und Gastbegeber vornehmlich auf Vertrauen. So wird etwa der Kaffeekonsum in der stilvollen Gemeinschaf tsküche vom Gast selbst eingetragen. Und: Nach dem Kochen reinigen „Lindenberger“ den genutzten Arbeitsbereich ganz selbstverständlich. Zu den Bewohnern zählen Musiker, Künstler, Schriftsteller, Journalisten, Architekten, aber auch Ingenieure, Banker und Privatiers, die auf Dauer, einige sogar bereits seit Jahren, das ganz besondere Angebot in dem beliebten Frankfurter Boutique- Hotel zu schätzen wissen, und hier ein langfristiges Zuhause gefunden haben.

Das Lindenberg ist ein Hybrid aus Hotel und Wohngemeinschaft.
Nina Eschenröder, Business Development Managerin

Grundbelegung sichert langfristige Planung

Doch was versprechen sich Hotels von den großzügigen Pauschalangeboten? Das Lindenberg gibt an: „Durch unsere Longstay- Gäste sichern wir uns eine Grundbelegung, mit der wir langfristig planen können.“ Monatlich werden hier aktuell im Voraus mindestens 999,99 Euro fällig. Im Preis inklusive: Die wöchentliche Reinigung, W-LAN, Strom, Wasser, und sogar ausgewählte Grundnahrungsmittel, und aktuell ist selbst der Wäscheservice im Preis. „The Flag“ hat zwar seine Preise nun leicht angepasst, doch auch hier konnte man bis vor kurzem für 990 Euro langfristig wohnen. Die üblichen Wohnnebenkosten sind auch hier im Preis (bis auf den Wäscheservice). Viele Häuser bieten zudem einen kostenlosen Fitnessraum. Über das konkrete Preis- und Leistungsangebot, das oft positiv überrascht, und durchaus Vorteile zur klassischen Einzimmer-Wohnung bietet, können jedoch nur die jeweiligen Häuser individuell Auskunft geben. Nunkönnte man natürlich vermuten, dass das Gastgewerbe in Zeiten von Covid, in denen es existenzbedrohende Umsätze zu kompensieren gilt, aus der Not eine Tugend gemacht hat. Doch diesen Vorwurf wird schnell entkräftet. „Wir haben die Implementierung des Longstay-Angebots bereits vorher umgesetzt, heißt es seitens der Nui-Hotels. Auch die Lindenberger schmettern diesen Verdacht ab: „Nein, Longstay ist schon von der ersten Stunde Bestandteil unseres Konzepts“, betont Nina Eschenröder.

Konkurrenz für klassischen Mietermarkt?

„Wir sehen uns nicht als Konkurrenz auf dem klassischen Mietermarkt, sondern als Alternative, das auf die aktuellen Bedürfnisse der Menschen eingeht“, betont das Lindenberg zudem. Auch Dr. Muhr („The Flag“) versichert: „Nein, wir sind sicherlich kein Wettbewerb für den allgemeinen klassischen Mietermarkt. Etmenan von Novum Hospitality (Nui Hotels) sieht ebenso nur einen geringen Wettbewerb zum klassischen Mieterangebot: „Wenn man die Tatsache berücksichtigt, dass unsere Longstay-Optionen zeitlich begrenzt sind und flexibel hinzubuchbare Service-Optionen beinhalten, ist das Angebot nur bedingt als Konkurrenzprodukt auf dem klassischen Mietermarkt anzusehen.“ Darüber hinaus bestehe wenig Individualisierbarkeit im Hinblick auf Einrichtung und Design für die „Mietdauer“. Anmerken muss man zudem, dass natürlich der klassische Mieterschutz nicht greift, und man den Mieter schnell wieder loswerden kann. Umgekehrt gelten für den Bewohner nur die üblichen Stornierungsbedingungen.

Kontinuierliches Wachstum und Marktexpansion

„Das Segment wird in den nächsten Jahren ein weiteres, kontinuierliches Wachstum durch Angebotserweiterungen bestehender Anbieter und der Marktexpansion internationaler Hotel – und Serviced- Apartment- Ketten erleben.“, erklärt Tobias Warnecke, Referent Hotelverband Deutschland (IHA). Zugleich treten stetig neue Akteure aus der Hotellerie und Wohnwirtschaft in das Segment ein. Die neuen Konzepte und Brands richten sich in ihrer Ausstattung und ihren Services nicht mehr ausschließlich an die klassischen Zielgruppen, sondern mehr an deren Lebensstile und Wertvorstellungen. Abschließend kann man feststellen: Im Longstay-Segment, das als Erstwohnsitz vermehrt genutzt wird, ist generell eine Angebotsdynamik auf dem Wohnungsmarkt und der Hotellerie zu erkennen. Bedingt durch den anhaltenden Erfolg ist das Interesse von Investoren, internationalen Hotelketten, Wohnungsbauunternehmen, aber auch von jungen Gründern aus anderen Branchen enorm gestiegen. Somit sollten klassische Wohnungsvermieter diese Entwicklung zumindest weiter aufmerksam verfolgen.

2023-07-07T13:56:03+01:00
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