(Text: Robert Schütz, bautalk.com, publiziert im Schweizer Baujournal)
Der gesamte Lebenszyklus eines Gebäudes lässt sich längst virtuell abbilden und beschreiben. Im Bereich der Gebäudetechnik profitiert nach der Planung und Fertigstellung zunächst das Facility Management. Der digitale Zwilling ist zudem die Quelle für ein ganze Reihe weiterer smarter Anwendungen und Simulationen.
Die digitale Transformation betrifft alle Gewerke und umfasst den gesamten Lebenszyklus von der Analyse über die Planung, die Umsetzung, die Nutzungsphase und sogar den Rückbau. Die Gebäudetechnik spielt hier eine besondere Rolle, vor allem auch im Rahmen der Energieoptimierung. „Gebäude verfügen über kommunikationstechnische Anbindungen und Steuerungen, sodass sie auf den Bedarf aus der Energiewirtschaft reagieren können.“, heisst es in einem Grundsatzpapier von Energie Schweiz Ende, das im Oktober letzten Jahres publiziert wurde. Der Titel: „Digitalisierung in der Gebäudetechnik“. Die Autoren Nathalie Spiller, Tobia Wyss, und David Stickelberger, alle von Swissolar liefern hier einen Überblick über die Digitalisierung der Bereiche Heizungsbau, Klima- und Lüftungstechnik, Sanitär sowie elektrotechnische Anlagen. Swissolar ist der Schweizerische Fachverband für Sonnenenergie und vertritt die Interessen von rund 700 Verbandsmitgliedern.
Laut des Interessenverbandes versteht sich die Gebäudetechnik als ein Teilbereich des gesamten Bauvorhabens. Alles beginnt in der Planungsphase. Hier wird der Grundstein gelegt für alle weiteren Entscheidungen, die auch die Gebäudetechnik und die Nutzung einer Immobilie stark beeinflussen. Denn ein Gebäude verursacht nach der Fertigstellung oft 20-mal mehr Kosten als in der Planungs- und Bauphase. Das grösste Einsparungspotential besteht daher bei der Nutzung und Betreibung. Hier kommt BIM ins Spiel.
BIM wird kommen.
Ab 2021 müssen der Bund und alle bundesnahen Betriebe verpflichtend auf die BIM-Methode setzen. Aufgrund dieser klaren Vorgaben des Bundes sollte sich auch die Gebäudetechnikbranche mit diesen Themen beschäftigen. In der vorgenannten Studie heisst es: „Der Bund und alle bundesnahen Betriebe müssen ab 2021 verpflichtend auf die BIM-Methode setzen.“ David Stickelberger, Geschäftsleiter von Swisssolar und Mitautor der Studie, konkretisiert: „Die Forderung findet sich im Aktionsplan digitale Schweiz, damit handelt es sich um eine Umsetzungsmassnahme der bundesrätlichen Strategie digitale Schweiz von 2018. Unseres Wissens ist das eine Vorgabe innerhalb der Bundesverwaltung, und nicht gesetzlich verankert.“ Dennoch sind viele Betriebe entsprechend vorbereitet, andere verhalten sich noch zögerlich: Nathalie Spiller, Leiterin Technik und Innovation bei swissolar, die ebenfalls an der Studie mitarbeitet, erläutert: „Architektur- und Planungsbüros, die grosse Projekte durchführen sind eher auf die Digitalisierung vorbereitet und verfügen meist über entsprechend ausgebildete BIM Koordinatoren, welche die digitalen Modelle der unterschiedlichen Gewerke zusammenführen. Für kleinere Unternehmen ist die Herausforderung entsprechend grösser, da oft spezialisiertes Personal fehlt.“ Gefragt sind vor allen die Hersteller von Geräten, die bereits heute die digitalen Modelle zur Verfügung stellen. Je nach Hersteller reichen diese von einfachen 3D-CAD-Modellen bis zu kompletten BIM-Daten mit Betriebsdaten und Schnittstellen.
Die Chancen von BIM innerhalb der Gebäudetechnik
Seitens Swisssolar stuft man die Chancen, BIM im Bereich Gebäudetechnik effizient und rentable zu nutzen, als durchaus positiv ein. BIM sichert innerhalb der Gebäudetechnik eine höhere Planungs-, Termin und Kostensicherheit, sowie eine effiziente Kosten- und Zeitplanung. Grosse Vorteile verspricht man sich bereits vor Baubeginn durch eine digitale Kollisionsprüfung. Zudem sind mit BIM alle relevanten Gebäudedaten für alle Projektbeteiligten während Planung, Bau und Bewirtschaftung stets verfügbar. Frau Spiller nennt insbesondere die Chancen der Digitalisierung im Betrieb und bei der Überwachung der Gebäudetechnik als wichtige Vorteile. Sie fügt hinzu: „Es können beispielsweise durch die genaue Überwachung der Geräte, Wartungs- und Unterhaltsarbeiten optimal auf den Zustand der Geräte abgestimmt werden (predictive maintainance).“ Man kann wie folgt zusammenfassen: Die kontinuierliche Informationsentwicklung ohne Wissensverlust während des gesamten Lebenszyklus eines Gebäudes führt zur Reduktion von Kosten, Aufwand und Risiken. Das digitales Gebäudemodell schafft somit in der Phase der Bewirtschaftung einen grossen Nutzen, u.a. auch bei der Instandhaltung. Zudem dient der Digitale Zwilling als Datenquelle für weitere smarte Anwendungen und ermöglicht zusätzliche Leistungsangebote und neue Geschäftsmodelle.
Digitale Gebäudetechnik steigert Energieeinsparung
Beim Bau von Büro- und Geschäftshäusern, Spitälern, Hotelbauten, Fabriken etc. und selbst bei Einfamilienhäusern ist die Planung mit BIM auch für mehr Energieeffizienz verantwortlich. Die Steigerung der Energieeffizienz ist das wichtigste Instrument, um den Energieverbrauch ohne Einbussen zu senken. Neben dem CO2-Ausstoss gilt es die Energiekosten zu minimieren. Um ein Maximum an Energieeinsparung zu erreichen, lassen sich mithilfe einer Vielzahl von Parametern wie Luftströmungen, Energieverbrauch, durchschnittliche Anzahl von Personen im Gebäude etc. die nötigen Baumassnahmen und Techniken ermitteln. Danach lässt sich die geplante Gebäudetechnik vorab virtuell testen, um herauszufinden, ob das Ergebnis den Vorgaben und Anforderungen entspricht. Überflüssige Dämmungen lassen sich so vermeiden, wenn die Technik den Gegebenheiten schon im Vorfeld perfekt angepasst wurde. So kann man aufgrund der Dämmeigenschaften, der Heizleistungen und Belüftungsdaten die Raumtemperatur und die Energiekosten zu unterschiedlichen Tages- und Jahreszeiten vorausberechnen. Oder umgekehrt: Das gewünschte Raumklima und die Vorgabe minimale Energiekosten und der minimale CO2-Ausstoß erlauben es alle weiteren erforderlichen Parameter vorab entsprechend zu definieren. Alle hierfür erforderlichen Informationen stammen aus dem Digitalen Zwilling.
Dank dem relativ offenen Systemcodes z.B. von Autodesk Revit ist es möglich die Gebäudesensorik und die Gebäudeleittechnik in das gesamte BIM-Konzept integrieren. Der digitale Zwilling liefert hierfür die detaillierteren Informationen aller Bauteile (Propertysets). Hierzu gehören sämtliche bauphysikalische Eigenschaften wie Wärmedurchlasskoeffizient, Energieeffizienzklassen, Brandschutzklassen und die Beziehung zu benachbarten Bauteilen. Diese Daten bilden die Grundlage für weitere Entscheidungen und digitale Anwendungen sowie wichtige Simulationen. Somit ist nicht nur eine umfassende Gebäude- und Workflowdokumentation mittels BIM möglich. Das digital geplante Gebäudemodell wird hier zur „Echtzeitbasierten Steuer-, Mess- und Regelzentrale“.
Es gibt es auch kritische Stimmen
Vielen Planungsbüros und Betriebe beklagen die hohen Investitionskosten und zusätzlichen Fixkosten. Hierzu zählen die Lizenzgebühren, die Aus- und Weiterbildung sowie die Aufwendungen für qualifiziertes Personal. Auch die Datensicherheit ist ein Thema. So müssen u.a. die Zugangs- und Nutzungsberechtigungen (lesen, schreiben, ändern) in Abhängigkeit der Funktion eines Nutzers definiert werden. Beim Datenaustausch ist es schwierig die Konsistenz von Daten sicherzustellen und gleichzeitig den Austausch von proprietären und geschützten Daten zu ermöglichen. Abhilfe schaffen offene Datenformate wie z.B. IFC (Industrial Foundation Classes). Eine Frage steht ebenfalls im Raum: Wem gehört das digitale Gebäudemodell, dem Bauherr, dem Architekten, der Gebäudeverwaltung, dem Facility Management? Hier sind die Juristen gefordert. Trotz allem, dürften auch innerhalb der Gebäudetechnik die Vorteile und der Nutzen überwiegen. Sicher ist noch einiges an Arbeit zu leisten. Dennoch scheint der Grundstein für eine erfolgreiche BIM-Welt innerhalb der Gebäudetechnik ist gelegt. Darauf kann man aufbauen.