Text: Robert Schütz. Publiziert im Schweizer Baujournal
BIM, ein neues Schlagwort macht die Runde. Noch gehen die Meinungen auseinander. Was genau ist BIM? Wo liegt der Nutzen? Sicher ist: BIM wird nicht kommen. BIM ist da!
In vielen Ländern ist es gesetzlich bereits vorgeschrieben. Und wo steht die Schweiz?
Mit BIM ist es wie mit vielen Neuerungen in der Baubranche, am Anfang wird viel darüber geredet und geschrieben und es kursieren ganz unterschiedliche Meinungen in der Fachwelt. Darunter auch viele Halbwahrheiten und am Ende fragen sich alle: Reden wir hier eigentlich über das Gleiche? Und schon wären wir exakt bei der Forderung von BIM: Building Information Modeling will das Verständnis verbessern und alle Beteiligten auf einen einheitlichen Wissensstand heben. Hierzu müssen jedoch alle eine einheitliche Sprache sprechen. In der digitalisierten Planung bedeutet dies, dass ein einheitlicher Standard existieren muss, der es ermöglicht Informationen einheitlich auszutauschen. Denn nur wenn alle in einer „Sprache“ über das Gleiche sprechen, und zu jeder Zeit den gleichen Wissensstand besitzen, können Missverständnisse vermieden werden; lassen sich Konflikte und Mehraufwand vermeiden. Kurz: Mit BIM lässt sich viel Zeit und Geld sparen.
BIM erstreckt sich über den gesamten Lifecircle eines Bauwerkes
Es geht bei BIM nicht nur um den Planungs-und Bauprozess. BIM erstreckt sich immer über den gesamten Lifecircle eines Gebäudes. Das beginnt bei der ersten Ideenskizze, erstreckt sich über die gesamte Bewilligungs- und Ausschreibungsphase und die eigentlichen Bauabschnitte bis hin zur Fertigstellung. Doch Informationen über die technische Wartung sowie die Kontrolle der Unterhaltskosten, welche die Baukosten um ein mehrfaches übersteigen, müssen später über die gesamte Lebensdauer einer Immobilie hinweg, für alle Beteiligten einfach zugänglich sein. Selbst der Rückbau wird durch BIM einfacher und umweltgerechter möglich. BIM ist somit mehr als ein digitales 3D-Model, das die Planung erleichtert. BIM kann zudem die Abläufe bei der späteren Nutzung digital simulieren. Mit BIM wird ein Gebäude zweimal gebaut: Einmal virtuell und wenn das alles klappt, schliesslich real. oder nach drastischer formuliert: BIM ermöglicht den digitalen Crashtest einer Immobilie. Dieses Bauinformationsmodell dient den Beteiligten somit als wichtige Entscheidungsgrundlage, bei der Steuerung und Optimierung. Was BIM auf keinen Fall ist, und das wird oft missverstanden: BIM ist keine Software. Vielmehr müssen alle existierenden Standardsoftwares BIM tauglich sein.
Open BIM führt ein offenes Haus
Jeder, der im Laufe der Entstehung und später bei der Wartung eines Gebäudes beteiligt ist, hat einen unterschiedlichen Informationsbedarf.
Gleichzeitig muss es möglich sein, dass alle über einheitliche Schnittstellen, unkompliziert Informationen austauschen können. Hierfür müssen den Beteiligten die Türen zu allen Informationen offen stehen. Der Architekt mag sich vorrangig für die CAD- und Layout-Programme interessieren; der Statiker für die Darstellung der Kräfteverteilung. Andere Projektbeteiligte konzentrieren sich auf die Zeit- und Kostenplanung, auf den Brandschutz, die technischen Installation usw.. Hier beginnen heute die Schwierigkeiten. Es liegen mehr Informationen vor, wie benötigt werden. Oft werden diese wiederkehrend erstellt, können durch die Beteiligten nicht gelesen werden; es entstehen Widersprüche und Fehler. BIM hat die Aufgabe diese Bauinformationen über das Bauwerksmodell und die Teilmodelle zu koordinieren. So kann sich jeder auf die für ihn relevanten Informationen und Darstellungen konzentrieren. Wichtig ist nur, dass alle zusammen arbeiten können und immer auf dem gleichen Informationstand sind. Das erreicht BIM. Möglich wird dies durch einheitliche Kommunikationsschnittstellen und ein einheitliches Datenformat mit welchen die Standardsoftwaren der Beteiligten arbeiten können. Die eingesetzten Softwaren, wie die Standards für den Datenaustausch, die Prozesse und die hierfür zuständigen Stellen innerhalb der Projektorganisation, müssen allerdings immer vor Projektbeginn festgelegt werden.
IFC Standard öffnet die Türen
IFC (Industry Foundation Classes), so heisst dieser einheitliche Standard, der den Austausch von Informationen im Planungs- und Bauprozess und im Facility Management ermöglicht. Dabei werden sowohl die technischen Eigenschaften, und Masse eines Bauteils beschrieben, als auch seine Funktion, seine Position und die Umgebung bzw. das Zusammenwirken zu weiteren Bauteilen und Räumen. Man spricht hier von den Property Sets (PSets), die zu jedem Datensatz gehören und selbstverständlich alle im Datenformat (IFC) verfasst sind. Hierfür müssen alle Datenbanken, an denen sich die Bauwirtschaft orientiert, im entsprechenden Format angelegt sein, nur dann sind diese BIM kompatible.
Ein schönes Beispiel für den Aufbau einer solchen Datenbank liefert buildup. Das Spin-off der ETH Zürich vereint Experten aus den Architektur und Informatik und möchte den Akteuren der Schweizer Bauwirtschaft eine unabhängige und BIM kompatiblen Onlineplattform zur Verfügung stellen. Der Geschäftsführer Paul Curschellas, der zudem Mitglied im Vorstand von buildingSMART Schweiz ist, erklärt hierzu: „buildup ist vom Wunsch inspiriert, die Zusammenarbeit der Akteure zu fördern und diese untereinander zu vernetzen. So wird die Produktivität erhöht und die Voraussetzungen für besseres Bauen geschaffen.“
BuildingSmart: gemeinsame Plattform für eine einheitliche Sprache
Um das Thema BIM noch effektiver in der Bauwirtschaft zu etablieren wurde die Initiative buildingSMART ins Leben gerufen. buildingSMART Schweiz
ist nach eigenen Angaben die gemeinsame Plattform und universelle Sprache für die Baubranche. Zu den Beteiligten gehören Projektentwickler, Planer, Architekten, Designer, Hersteller und Unternehmer, Eigentümer und Bauherren sowie Betreiber und Nutzer. BuildingSMART ist zunächst eine internationale Organisation mit der eigenen Ländergruppe Schweiz und orientiert sich an den internationalen – und nationalen – Standards. Zu diesen gehört der IAI (Industrieallianz für Interoperabilität e.V), der verschiedene Abläufe, Standards und Technologien auf einer gemeinsamen Plattform zusammen bringt. Ziel von buildingSMART ist es zudem den Einfluss auf die Weiterentwicklung der Standards wie IFC auf nationaler und internationaler Ebene zu fördern.
In vielen Ländern ist BIM schon Pflicht
Bereits am 15. April 2014 wurde in der EU eine neue Richtlinie zum Vergaberecht verabschiedet. Daraus folgt, dass bis 2016 alle 28 Mitgliedsstaaten der Europäischen Union die Nutzung von BIM bei der Realisierung von öffentlich finanzierten Bau- und Infrastrukturprojekten fördern sollen. Großbritannien, die Niederlande, Dänemark, Finnland und Norwegen schreiben die Nutzung von BIM bei öffentlich finanzierten Bauvorhaben bereits jetzt zwingend vor.
Welchen Nutzen BIM bringen kann, zeigt das Beispiel Grossbritannien, wo der Einsatz von BIM ebenfalls bereits Pflicht ist, wenn die Vergabe von öffentlichen Großbauprojekten ansteht. Nach Angaben von „Construction News“, einem der führenden Quellen der Bauindustrie in der UK, konnte allein die britische Regierung seit 2012 bereits mehr als 1,7 Milliarden Pfund (ca. 2 Milliarden Euro) einsparen. Zudem konnten 66 Prozent der Aufträge der britischen Behörden termin- und budgetgerecht fertiggestellt werden. Und wo steht die Schweiz?
Vereine und Organisationen sind gefordert
Paul Curschellas sagt ganz klar: „Rund um die Schweiz ist die Integration BIM am laufen. Die Schweiz kann sich nicht von der Welt abkoppeln.“ Genauso sieht dies der SIA, der Schweizerische Ingenieur- und Architektenverein, auf dessen Internetseite heisst es hierzu: „BIM ist da! Und kann nicht mehr von der Hand gewiesen werden. Zunehmend etabliert sich der Begriff «erst digital – dann real.“ Weiter ist auf der SIA Online Plattform zu lesen: „In der Schweiz, mit der durch KMUs geprägten Bau- und Planungswirtschaft, haben es Innovationen wie „digitales Bauen“ schwer. Hier müssen die Vereine und Organisationen bei der Einführung von BIM als Katalysator wirken. Erste Weichen hierfür wurden durch die von der der SIA erarbeiteten Norm 2051 gestellt.
FHNW bietet gezielte Weiterbildung für Digitales Bauen
Die Arbeit mit BIM ist neu. BIM kommt, und somit müssen Architekten, Ingenieure, Planer, Controller etc. in der Lage sein, die umfassenden und technischen Möglichkeiten auch effektiv anzuwenden. Neues und gezieltes Lernen ist somit gefragt. Die Fachhochschule Nordwest bietet hierfür als Weiterbildungsmöglichkeit den modularen Aufbaustudiengang „MAS Digitales Bauen“ an, der als Teilzeitstudium absolviert werden kann. Die einzelnen Veranstaltungen werden von Mitarbeitern des Instituts für 4D-Technologien der FHNW durchgeführt. Die Studienleitung hat Herr Prof. Dr. Manfred Breit. Zudem dozieren erfahrene Fachleute aus der Praxis, die auf Grund ihrer Erfahrungen, am besten demonstrieren können, welche Möglichkeiten neuste Theorien in der Anwendung ermöglichen. Der Studiengang richtet sich vorrangig an Inverstoren, professionelle Bauherren und die Führungskräfte der Planungsbüros und Baufirmen sowie sämtliche Fachkräfte, die für die Umsetzung zuständig sind. (Details siehe Infobox)
Erste BIM Projekte in der Schweiz
Auch in der Schweiz sind die ersten BIM-Projekte bereits in der Planung oder wurden schon termingerecht fertiggestellt. Da wäre zunächst das Amt für Umwelt und Energie in Basel. Als weiteres Planungsprojekt gilt das derzeit noch im Bau befindliche Felix Platter-Spital, ebenfalls in Basel. Der Projektleiter des Spitalneubaus Jean-Luc Perrin, der auch mit der Durchführung des Wettbewerbes betraut war, setzte als Bauherr von Anfang an auf den Einsatz von BIM. Schon heute gelten diese Projekte als wegweisendes Beispiele und Referenzprojekte für BIM in der Schweiz. Perrin wagte in einem Vortrag anlässlich der Veranstaltungsreihe „BIM im Klartext“ sogar die mutige Aussage: „In 33 089 Stunden, am 21. August 2018 werden wir die Eröffnung des Platter-Spitals feiern. Der Apéro ist bestellt.“ Vielen mag diese Einschätzung zu diesem Zeitpunkt sicher recht mutig erscheinen. Doch zeigt es sehr schön, welche Ambitionen BIM hat. Als einer der Pioniere von BIM in der Schweiz bringt Perrin den Nutzen einer virtuellen Planung und Bausimulation einmal mehr auf den Punkt, in dem er sagt: „ Benutze die Maus statt den Presslufthammer“. Anders formuliert könnte diese Empfehlung lauten: Wer hinsichtlich Zeit und Geld verlässlicher planen möchte, ist mit BIM sicher gut beraten. Welchen Verlauf das Projekt Berliner Flughafen jedoch mit BIM genommen hätte, das vermag niemand einzuschätzen. Denn trotz aller Technik bleibt immer noch der Faktor Mensch; er macht die Politik und hat noch immer das letzte Wort. Und das ist auch gut so.