(Text: Robert Schütz, bautalk) In einem europaweiten Vergleich zeigen sich grosse Unterschiede bei der Implementierung und Nutzung der BIM-Technologie. Deutlich an der Spitze liegt Grossbritannien – die Schweiz kämpft im Mittelfeld um den Anschluss. Eine Studie von PlanRadar erklärt die Hintergründe und Entwicklungen.
Text: Robert Schütz ( bautalk.com)
Die Recherchen und Interviews mit Bauexperten in verschiedenen Ländern wurden durchgeführt von Plan Radar, einem Anbieter für plattform- und geräteunabhängige, webbasierte SaaS-Lösungen (Software as a Service) für Dokumentation und Kommunikation in Bau- und Immobilienprojekten. Im Fokus der Studie stehen Unternehmen aus dem Bausektor, die neben Architekten und Planern auch Bauunternehmen, Bauträger und Projektentwickler umfassen. Untersucht wurde zudem, inwieweit Regierungen der einzelnen Länder die Building Information Modeling-Technologie und digitale Arbeitspraktiken regeln und unterstützen.
Historisch gesehen gelten die Briten als Vorreiter der BIM-Technologie. Sie waren es, die den Standard BS1192: 2007 definierten, der die Grundlage der heutigen ISO 19650, dem aktuellen internationalen Standard, bildet. Wie bei vielen anderen Technologien hat sich unser Verständnis von Building Information Modeling über die Zeit weiterentwickelt, und dadurch auch Funktionen und Möglichkeiten verändert.
Bis vor kurzem war es in Großbritannien üblich, den BIM-Reifegrad von Unternehmen und der allgemeinen Adoption durch vier verschiedene Stufen (BIM Level 0 bis Level 3) zu definieren. Die einzelnen BIM-Level beschreiben nicht nur den Einsatz der Technologie, sondern auch wie weit die Zusammenarbeit zwischen den Beteiligten rund um BIM-Modelle digitalisiert und organisiert ist. Um Märkte mit unterschiedlichem Reifegrad besser vergleichen zu können, wurden daher folgende Stufen definiert:
BIM wird in unterschiedlichem Umfang genutzt
Bei dem BIM Level 0 ist die digitalisierte Zusammenarbeit gering, d.h.es wird noch mit gewöhnlichen CAD-Zeichnungen. Der Informationsaustausch auf dem Papier oder bestenfalls über E-Mail. Auf den nächsten Stufe BIM Level 1 sind die Daten bereits einheitlich strukturiert und es der Datenaustausch erfolg digital. Doch arbeiten die Teams a oft noch mehr nebeneinander als miteinander.
Das BIM Level 2 zeichnet sich durch eine gute Zusammenarbeit zwischen mehreren Teams aus. Verschiedene Spezialisten können mit ihren Programmen mit denselben BIM-Modellen interagieren. Auf dieser Stufe ist es allen Projektbeteiligten möglich auch zusätzliche Parameter wie Zeit und Kosten zu verfolgen.
Die höchste Stufe BIM Level 3 erfordert eine mehrstufige, einheitliche Umgebung, die die Arbeit aller Projektbeteiligten zusammenführt. Hier arbeiten alle in Echtzeit mit den gleichen BIM-Modellen und das über den gesamten Lebenszyklus eines Gebäudes, von Analyse, Planung, Umsetzung, Betreibung bis hin zum Rückbau.
Nutzung von BIM durch Schweizer Bauunternehmen
Etwa 20 Prozent der Unternehmen im eidgenössischen Bausektor verwenden Building Information Modeling regelmäßig, wobei sich die Nutzung vor allem auf Architekten, Designer und Großunternehmen im Baugewerbe konzentriert. Rund zwei Drittel der Unternehmen haben bereits Erfahrungen mit der Technologie gesammelt. Meist wird auf BIM-Level 1 gearbeitet, wobei in letzter Zeit vermehr Projekte mit dem BIM-Level 2 durchgeführt wurden.
Auffällig: 70 Prozent der Unternehmen halten fest, dass Building Information Modeling eine sehr wichtige Rolle die zukünftige Bau- Und Immobilienwirtschaft im Land wird. Jedoch sagen drei Viertel auch, dass die meisten Firmen in der Schweiz noch nicht ausreichend für den Einsatz von Building Information Modeling vorbereitet sind.
Ersteinsatz von Building Information Modeling in der Schweiz
BIM ist in der Schweiz seit den 2010er Jahren im Einsatz. Die Anwendung der Technologie ist jedoch noch ausbaufähig. Dass eine Verwendung von Building Information Modeling in der Schweiz noch häufig scheitert, hat verschiedene Gründe. Zum einen klagen Unternehmen über die hohe Regulierungsdichte und hohe Investitionskosten. Mangelnde Anwenderkenntnisse erschweren die Adoption zusätzlich. Darüber hinaus ist die Schweiz kulturell bedingt sehr fragmentiert. Entsprechend herrschen in den verschiedenen Kantonen vielfältigen und unterschiedlichen Herangehensweisen an Bauprojekt, wenn es um Planung, Bau und Betrieb geht. Das erschwert die Etablierung einheitlicher Arbeitsweisen. 2018 wurde die Nutzung von Building Information Modeling in der Schweiz von staatlicher Seite auf Schiene gebracht. Seit 2021 setzen die Eidgenossen in ihren staatlichen Bauten und ab 2025 bei Infrastrukturprojekten auf Building Information Modeling. Begleitet wird der Prozess von fortschrittlichen Regelwerken SIA 2051, D 0270 und D 0271.
Fazit: BIM im Europavergleich
2021 bleibt Großbritannien unangefochten führend bei der Nutzung und Implementierung von Building Information Modeling in Bauprojekten. Zum einen hat es bereits seit 2007 BIM-Standards entwickelt und eingesetzt, die sowohl auf nationaler Ebene verabschiedet wurden als auch die Grundlage der ISO 19650 bilden. Zum anderen müssen seit 2016 alle staatlich geförderten Projekte mindestens BIM Level 2 verwenden. Dies hat zu einem enormen Anstieg des Bewusstseins und der Nutzung von Building Information Modeling geführt. Gleichzeitig gilt jedoch, dass andere grosse europäische Länder wie Deutschland oder Frankreich in den letzten Jahren stark aufgeholt haben, was Schritte zur Standardisierung bzw. die allgemeine Adoption der Technologie betrifft.
Darauf folgen kleinere Länder wie Österreich, die Schweiz und Kroatien, wo die Implementierung von Building Information Modeling noch weniger weit fortgeschritten ist. Das Schlusslicht bildet in diesem Hinblick Kroatien, wo Building Information Modeling nur in vereinzelten Sonderfällen eingesetzt und die digitale Zusammenarbeit mit dem BIM Level 0 noch sehr eingeschränkt ist.